Wehrdienstbefreiung und -aufschub früher und heute verstehen

Die Wehrpflicht in Deutschland ist zurück – wenn auch in neuer Form. Viele Eltern, Schüler*innen und Lehrkräfte erinnern sich noch an frühere Zeiten: Einberufungsbescheid, Zivildienst, Aufschub wegen Studium. Doch die Regeln von damals gelten so nicht mehr. Dieser Artikel erklärt leicht verständlich, wie Wehrdienstbefreiungen und -aufschübe früher funktioniert haben, was das neue Wehrpflichtgesetz 2025/2026 ändert und welche Möglichkeiten junge Menschen heute noch haben.
Wichtig: Konkrete Ausgestaltung und Detailregelungen befinden sich (Stand Ende 2025) noch in politischer Diskussion und werden schrittweise veröffentlicht. Im Folgenden geht es daher um die Grundlinien, wie sie in Regierungserklärungen, Referentenentwürfen und öffentlichen Debatten erkennbar sind.
Wie funktionierte die Wehrpflicht früher in Deutschland?

Die klassische Wehrpflicht, wie viele Erwachsene sie aus den 1980er-, 1990er- und 2000er-Jahren kennen, folgte einem relativ festen Schema. Sie beruhte auf dem Wehrpflichtgesetz in der Fassung vor der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011.
Pflichtdienst für (fast) alle jungen Männer
Grundsätzlich waren alle männlichen deutschen Staatsbürger ab 18 Jahren wehrpflichtig. Die Dauer des Grundwehrdienstes veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte (z. B. 12, später 9 Monate), blieb aber ein verpflichtender Dienst in den Streitkräften.
Zivildienst als Alternative aus Gewissensgründen
Wer aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnte, konnte den Zivildienst leisten. Dieser fand in sozialen Einrichtungen statt, zum Beispiel:
- Krankenhäusern und Pflegeheimen
- Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen
- Rettungsdiensten
Der Zivildienst war rechtlich kein „Aufschub“, sondern eine Ersatzpflicht für Wehrdienstverweigerer.
Aufschub, Zurückstellung, Befreiung – die wichtigsten Begriffe
Früher wurde unterschieden zwischen:
- Zurückstellung/Aufschub: Der Wehrdienst wurde zeitlich verschoben, zum Beispiel wegen Schule oder Studium.
- Befreiung: Die Person brauchte dauerhaft keinen Wehrdienst zu leisten, z. B. aus gesundheitlichen Gründen.
- Nicht herangezogen: Gerade in späteren Jahren wurden viele formal Wehrpflichtige gar nicht mehr einberufen, weil die Bundeswehr weniger Personal brauchte.
Die Folge: Auch wer „theoretisch“ wehrpflichtig war, konnte durch Aufschub, Zivildienst oder Nicht-Einziehung faktisch nie zur Bundeswehr kommen.
Typische frühere Gründe für Wehrdienstaufschub oder -befreiung

Für Eltern ist oft schwer nachzuvollziehen, was unter „Aufschub“ und „Befreiung“ konkret verstanden wurde. Einige der wichtigsten Konstellationen:
1. Schule und Studium
Wer sich in einer allgemeinbildenden Schule, einer beruflichen Ausbildung oder einembefand, konnte zurückgestellt werden. Ziel war, die Ausbildung nicht zu unterbrechen. Typisch waren:
- Aufschub bis zum Ende der Schulzeit (z. B. Abitur)
- Aufschub während der Erstausbildung oder des Erststudiums
- besondere Regelungen für angehende Ärzte und Lehrer
Der Dienst musste aber im Grundsatz später nachgeholt werden, sofern keine anderen Gründe entgegenstanden.
2. Familiäre Gründe
Unter bestimmten Bedingungen konnte jemand ganz oder teilweise befreit werden, wenn seine Mithilfe in der Familie unerlässlich war, etwa:
- Pflege von engen Angehörigen
- alleinige Sicherung des Familieneinkommens
Diese Fälle wurden individuell geprüft und waren nicht automatisch gegeben.
3. Gesundheitsgründe
Im Rahmen der Musterung wurde die Tauglichkeit festgestellt. Wer dauerhaft nicht tauglich war (z. B. durch schwere chronische Erkrankungen), konnte von der Wehrpflicht befreit werden. Leichtere gesundheitliche Einschränkungen führten häufig nur zu einem bestimmten Tauglichkeitsgrad oder zeitweiligem Aufschub.
4. Freiwillige soziale Dienste und Zivildienst
Der klassische Zivildienst ersetzte den Wehrdienst. Später kamen freiwillige Dienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) hinzu. Sie spielten beim alten System vor allem dann eine Rolle, wenn es darum ging, wie der Zivildienst in diese Dienste integriert werden konnte oder wenn nicht mehr alle Wehrpflichtigen einberufen wurden.
Aussetzung 2011: Was bedeutete das für Befreiungen und Aufschub?

Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Das heißt: Das Grundgesetz sah sie weiterhin vor, praktisch aber wurde niemand mehr zwangsweise eingezogen.
Freiwilliger Wehrdienst statt Pflicht
Seither konnte man sich freiwillig für einen Dienst in den Streitkräften melden. Es handelte sich um eine Berufs- oder Freiwilligenentscheidung, nicht um eine staatliche Verpflichtung. Damit verloren klassische Begriffe wie „Einberufung“, „Zurückstellung“ oder „Wehrdienstbefreiung“ weitgehend ihre praktische Bedeutung.
Soziale Dienste wurden eigenständig
Freiwillige Dienste wie FSJ, FÖJ oder Bundesfreiwilligendienst entwickelten sich zu eigenständigen Angeboten. Sie waren nicht mehr auf Wehr- oder Zivildienst bezogen, sondern standen allen jungen Menschen offen – unabhängig vom Geschlecht und einer Wehrpflicht.
Auch auf pädagogischen Ratgeberseiten wurden diese Wege zunehmend als „normale“ Bausteine der Bildungs- und Berufsbiografie dargestellt.
Das neue Wehrpflichtgesetz 2025/2026: Was ändert sich grundsätzlich?

Mit Blick auf die veränderte Sicherheitslage in Europa hat die Bundesregierung beschlossen, die Wehrpflicht in modifizierter Form wieder zu aktivieren. Die konkrete Ausgestaltung kann sich noch ändern, aber zentrale Linien sind erkennbar.
Von der allgemeinen Pflicht zur „gestuften“ Wehrpflicht
Im Unterschied zu früher ist nicht mehr automatisch jeder taugliche Mann verpflichtet, Dienst zu leisten. Stattdessen zeichnet sich ein gestuftes System ab:
- Eine große Gruppe von Jugendlichen wird erfasst und gemustert.
- Nicht alle werden tatsächlich einberufen – sondern nur so viele, wie die Bundeswehr benötigt.
- Bestimmte Qualifikationen (z. B. IT, Medizin, Technik) können bei der Auswahl eine besondere Rolle spielen.
Für junge Frauen wird politisch intensiv diskutiert, ob und wie sie einbezogen werden. Die Tendenz geht Richtung größerer Gleichbehandlung, aber mit Übergangsregelungen.
Wehrdienst, Zivildienst, soziale Dienste – wie greifen sie ineinander?
Das neue Modell setzt stark auf ein Gesamtangebot an Dienstformen:
- Militärischer Wehrdienst in der Bundeswehr
- Zivile Ersatzdienste für Menschen mit Gewissensgründen
- Ausbau bereits bestehender freiwilliger Dienste (FSJ, FÖJ, BFD)
Damit verschiebt sich der Fokus: Nicht mehr das „Entkommen“ aus der Wehrpflicht durch Aufschub steht im Zentrum, sondern die Frage nach der passenden Dienstform für die jeweilige Person.





Die Bilder zeigen verschiedene Wege, wie junge Menschen ihre Dienstzeit gestalten und wie Familien sie bei der Entscheidungsfindung begleiten können.
Wehrdienstbefreiung und -aufschub im neuen System
Mit der Reaktivierung der Wehrpflicht tauchen vertraute Begriffe wieder auf – aber mit veränderter Bedeutung.
Was heißt „Aufschub“ heute?
Auch im neuen Gesetz ist vorgesehen, Ausbildung und Studium möglichst nicht zu zerstören. Denkbare Regelungen (nach öffentlich diskutierten Entwürfen) sind:
- Aufschub bis zum Ende eines laufenden Schuljahres oder Ausbildungsabschnitts
- Aufschub bis zum Abschluss einer begonnenen Berufsausbildung
- in Ausnahmefällen Aufschub bis zum Ende des Erststudiums
Klarer als früher ist allerdings die Tendenz, dass Aufschub nicht automatisch zur faktischen Befreiung führt. Ziel ist, Planungssicherheit sowohl für junge Menschen als auch für die Bundeswehr zu schaffen.
Wann ist eine echte Befreiung möglich?
Wie schon früher werden Gesundheit, Pflegeverantwortung und schwere Härtefälle eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen zum Beispiel:
- dauerhafte gesundheitliche Untauglichkeit
- unverzichtbare Pflege naher Angehöriger
- besondere familiäre oder wirtschaftliche Notlagen
Über solche Fälle entscheiden in der Regel Wehrersatzbehörden oder spezielle Kommissionen nach klaren Kriterien. Eltern sollten hier alle relevanten Unterlagen (ärztliche Gutachten, Pflegenachweise, Bescheide) sorgfältig sammeln.
Gewissensfreiheit bleibt geschützt
Das Grundgesetz garantiert weiterhin die Gewissensfreiheit. Wer den Dienst mit der Waffe ablehnt, soll auch künftig die Möglichkeit eines zivilen Ersatzdienstes haben. Die Hürden für die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer können sich jedoch ändern – Details sind zum Teil noch in der Ausarbeitung.
Die wichtigsten Unterschiede: Früher vs. heute
Für ein besseres Verständnis hilft ein direkter Vergleich der Systeme.
1. Umfang der Einberufung
- Früher: Theoretisch Einberufung fast aller tauglichen Männer. In der Praxis gegen Ende oft nur ein Teil, der Rest wurde nicht herangezogen.
- Heute: Von Beginn an klar: Nur ein Teil eines Jahrgangs wird tatsächlich benötigt. Auswahl nach Bedarf und Qualifikation.
2. Rolle von Studium und Ausbildung
- Früher: Studium oft als Aufschubgrund genutzt, mit dem Ergebnis, dass viele nie eingezogen wurden.
- Heute: Studium kann Aufschub ermöglichen, soll aber nicht automatisch zur Flucht aus der Dienstpflicht werden. Gesetzgeber betont Planbarkeit und Fairness.
3. Stellung der zivilen Dienste
- Früher: Zivildienst war Ersatz für Wehrdienst; FSJ/FÖJ eher „Sonderweg“ oder Zusatz.
- Heute: Breiter Fächer an zivilen Diensten, teils verpflichtend als Ersatzdienst, teils freiwillig; stärkere Gleichstellung als gesellschaftlich wertvolle Optionen.
4. Informationslage und Beratung
Früher waren viele Informationen nur über Ämter und offizielle Broschüren verfügbar. Heute können sich Jugendliche und Eltern zusätzlich über digitale Lern- und Informationsangebote umfassend orientieren – von rechtlichen Grundlagen bis zu Planungshilfen für den Bildungsweg.
Welche Optionen haben junge Menschen jetzt konkret?
Für Jugendliche (und ihre Eltern) stellt sich weniger die Frage „Wie komme ich da raus?“, sondern eher „Welcher Weg passt zu mir?“. Typische Optionen sind:
1. Wehrdienst in der Bundeswehr
Für manche Jugendliche ist der militärische Dienst eine bewusste Entscheidung:
- Interesse an Technik, Sicherheit, Medizin oder IT
- körperliche Herausforderung und Teamarbeit
- Option auf spätere berufliche Laufbahn bei der Bundeswehr
Hier ist es sinnvoll, früh Informationsveranstaltungen, Beratungstermine und Schnuppertage zu nutzen.
2. Ziviler Ersatzdienst
Wer aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst leisten möchte, kann (nach geltendem und geplantem Recht) einen zivilen Dienst wählen, z. B. in:
- Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen
- Einrichtungen für Kinder und Jugendliche
- Rettungsdiensten oder Katastrophenschutz
Dieser Weg eignet sich besonders für junge Menschen, die sich sozial engagieren wollen oder pädagogische bzw. pflegerische Berufe anstreben.
3. Freiwillige Dienste (FSJ, FÖJ, BFD)
Unabhängig von einer konkreten Einberufung bleiben Freiwilligendienste eine wichtige Säule:
- Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)
- Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ)
- Bundesfreiwilligendienst (BFD)
Diese Dienste können – je nach gesetzlicher Ausgestaltung – als anrechenbar auf eine Dienstpflicht gelten oder zusätzlich freiwillig geleistet werden. Sie sind zugleich wertvolle Orientierungsphasen zwischen Schule und Beruf.
4. Ausbildung, Studium, duale Studiengänge
Auch mit neuer Wehrpflicht bleibt es möglich, nach der Schule direkt in eine Ausbildung oder ein Studium zu starten. Wichtig ist dann die Abstimmung mit den Behörden:
- Rechtzeitig melden, wenn eine Einberufung den laufenden Abschluss gefährden würde.
- Nachfragen, welche Fristen und Nachweise (z. B. Immatrikulationsbescheinigung) nötig sind.
- Gemeinsam mit Schule oder Hochschule planen, wie sich Dienstzeit und Bildungswege kombinieren lassen.
Soll mein Kind den Dienst lieber vor oder nach Ausbildung/Studium machen?
Beides ist möglich und hat Vor- und Nachteile. Ein Dienst vor der Ausbildung kann Reife, Selbstständigkeit und Klarheit über berufliche Ziele fördern. Viele Jugendliche nutzen diese Zeit, um sich zu orientieren und praktische Erfahrungen zu sammeln. Gleichzeitig verschiebt sich der Einstieg ins Berufsleben. Ein Dienst nach der Ausbildung oder dem Studium ermöglicht es, zunächst fachliche Grundlagen zu legen. Dafür kann die Unterbrechung der beruflichen Laufbahn später als störend empfunden werden. Eltern sollten mit ihren Kindern überlegen, wie gefestigt die Berufswünsche sind, wie belastbar sie sich fühlen und welche Angebote es in der gewünschten Dienstform gibt. Ein offenes Gespräch mit Beratungsstellen und – wenn möglich – mit Menschen, die bereits einen Dienst geleistet haben, ist sehr hilfreich.
Was können Eltern, Lehrkräfte und Schulen jetzt tun?
Die Rückkehr der Wehrpflicht stellt auch Bildungseinrichtungen vor neue Aufgaben. Einige praktische Hinweise:
Für Eltern
- Interesse zeigen und aktiv das Gespräch suchen.
- Keine Panik verbreiten, sondern Informationen gemeinsam prüfen.
- Auf die Stärken und Wünsche des Kindes eingehen – nicht nur auf eigene Erfahrungen von „früher“.
Für Lehrkräfte und Schulen
- Wehrpflichtthema in Berufsorientierung und Politikunterricht integrieren.
- Informationsabende mit Fachleuten (z. B. Jugendoffiziere, Beratungsstellen, Träger von Freiwilligendiensten) organisieren.
- Schüler*innen beim Umgang mit Einladungen zur Musterung unterstützen, z. B. durch Hinweise auf Fristen und Formulare.
Wichtig ist, dass junge Menschen das Thema nicht als bedrohliche „Black Box“ erleben, sondern als planbare Lebensphase, in der sie eigene Entscheidungen treffen können – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
Auch wenn einige Details des neuen Wehrpflichtgesetzes 2025/2026 noch in Bewegung sind: Wer die Unterschiede zu früher versteht, kann sich besser orientieren und gemeinsam mit seinem Kind oder seinen Schüler*innen passende Wege finden.