Lehrkräftemangel in Deutschland: Was Eltern jetzt wissen müssen

Der Lehrkräftemangel ist in Deutschland längst kein Randthema mehr. Viele Schulen suchen monatelang nach Personal, Stunden fallen aus oder werden vertreten, und Eltern fragen sich: Bekommt mein Kind noch verlässlichen Unterricht? Für Lehrkräfte bedeutet die Situation oft mehr Druck, für Schulleitungen mehr Organisation und für Quereinsteiger neue Chancen – allerdings nicht ohne Hürden.
Wichtig ist: Die Lage ist nicht überall gleich dramatisch. Es gibt große Unterschiede nach Schulform, Fach und Region. Dieser Überblick erklärt, was aktuell hinter dem Lehrkräftemangel steckt, welche Maßnahmen laufen und was Eltern konkret tun können, um ihr Kind zu unterstützen.
Aktuelle Situation: Ein bundesweites Problem mit vielen Gesichtern

In vielen Bundesländern fehlen Lehrkräfte – mal sichtbar durch Unterrichtsausfall, mal versteckter durch fachfremden Unterricht oder kurzfristige Vertretungen. Schulen versuchen, die Lücken zu schließen, indem sie Stunden zusammenlegen, Kurse zeitweise aussetzen oder Aufgaben auf vorhandenes Personal verteilen.
Man sollte dabei nicht pauschalisieren: Es gibt Schulen, die noch relativ stabil arbeiten, während andere dauerhaft am Limit planen. In der Praxis zeigt sich der Mangel häufig so:
- Mehr Vertretungsunterricht und häufige Planänderungen.
- Fachfremder Unterricht, z. B. wenn nicht genügend Fachlehrkräfte vorhanden sind.
- Reduzierte Förderangebote, weil Personal für Kernunterricht gebraucht wird.
- Mehr Belastung für Lehrkräfte, Schulleitungen und Sekretariate.
Besonders betroffene Schulformen und Fächer

Der Lehrkräftemangel trifft nicht alle Bereiche gleich. Besonders oft genannt werden:
Grundschule
In der Grundschule ist die Personaldecke vielerorts dünn. Das ist kritisch, weil hier die Basis gelegt wird: Lesen, Schreiben, Rechnen, Lernmotivation. Fällt in dieser Phase viel Unterricht aus oder wechseln Bezugspersonen ständig, kann das Kinder stark verunsichern.
MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)
In den MINT-Fächern konkurriert Schule mit attraktiven Alternativen. Wer z. B. Informatik studiert hat, findet oft sehr gute Arbeitsbedingungen außerhalb des Schuldienstes. Schulen müssen deshalb nicht nur ausbilden, sondern auch überzeugen.
Sonderpädagogik und Inklusion
Hier ist der Bedarf hoch, weil Unterstützung nicht „nebenbei“ funktioniert. Förderschwerpunkte, Diagnostik, individuelle Förderpläne und Teamarbeit brauchen Zeit und Fachwissen. Wenn Stellen unbesetzt bleiben, werden Förderstunden gekürzt oder auf zu wenige Schultern verteilt.
Berufliche Schulen
An beruflichen Schulen fehlen je nach Fachrichtung Lehrkräfte, etwa in Technik, Pflege oder Wirtschaft. Das wirkt sich indirekt auch auf den Arbeitsmarkt aus, weil Ausbildungsgänge verlässliche Beschulung brauchen.
Regionale Unterschiede: Bundesländer, Städte und ländliche Räume

Ob eine Schule besonders betroffen ist, hängt stark vom Standort ab. In Ballungsräumen gibt es zwar mehr potenzielle Bewerberinnen und Bewerber, aber auch mehr Konkurrenz zwischen Schulen, hohe Mieten und viele Teilzeitmodelle. Auf dem Land kommt hinzu: längere Wege, weniger Bewerbungen und eine schwierigere Vertretungsplanung, weil Personal nicht „mal eben“ von einer Schule zur anderen fahren kann.
Auch zwischen Bundesländern unterscheiden sich Rahmenbedingungen, etwa bei Bezahlung, Verbeamtung, Seiteneinstiegsregeln oder der Anerkennung von Abschlüssen. Das kann Wanderbewegungen verstärken: Lehrkräfte wechseln dorthin, wo die Bedingungen als besser wahrgenommen werden.
Zentrale Ursachen: Warum fehlen Lehrkräfte?

Der Lehrkräftemangel hat nicht die eine Ursache. Mehrere Entwicklungen wirken zusammen:
Demografischer Wandel
In vielen Regionen steigen die Geburtenzahlen zeitweise wieder oder es ziehen Familien zu. Gleichzeitig wird die Gesellschaft älter. Das verändert den Bedarf an Schulen und Personal – oft schneller, als Ausbildung nachsteuern kann.
Pensionierungswelle
Viele Lehrkräfte gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Das trifft Schulen besonders, wenn ganze Kollegiumsgruppen ähnlich alt sind. Dann fehlt nicht nur Unterrichtszeit, sondern auch Erfahrung: Mentoring, Schulentwicklung und die Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen werden schwieriger.
Steigende Schülerzahlen und mehr Heterogenität
Mehr Schülerinnen und Schüler bedeuten mehr Klassen, mehr Differenzierung und mehr Bedarf an Förderung. Gleichzeitig sind Lerngruppen heterogener: sprachlich, sozial, leistungsbezogen. Das ist pädagogisch sinnvoll zu begleiten – braucht aber Personal und Zeit.
Arbeitsbelastung und Attraktivität des Berufs
Lehrkräfte unterrichten nicht nur. Elternkommunikation, Konferenzen, Dokumentation, Inklusion, Digitalisierung, Krisenmanagement und individuelle Förderung füllen den Kalender. Wenn die Belastung dauerhaft hoch ist, steigen Krankheitszeiten, Teilzeitquoten und die Zahl derjenigen, die den Beruf verlassen. Das verstärkt den Mangel.
Maßnahmen und Reaktionen: Was Bund, Länder und Schulen tun
Weil Bildung in Deutschland Ländersache ist, reagieren Bundesländer unterschiedlich. Häufige Ansätze sind:
Quereinstieg und Seiteneinstieg
Menschen aus anderen Berufen kommen in die Schule – oft mit Fachwissen, aber mit unterschiedlicher pädagogischer Vorbereitung. Gelingt der Einstieg, kann das Schulen entlasten. Kritisch wird es, wenn Einarbeitung, Mentoring und Fortbildung fehlen. Dann steigt das Risiko von Überforderung – bei Quereinsteigern ebenso wie im Kollegium.
Verkürzte oder flexibilisierte Ausbildungswege
Einige Programme versuchen, schneller in den Schuldienst zu bringen, etwa durch berufsbegleitende Qualifizierung. Das kann helfen, wenn Qualität gesichert bleibt: klare Standards, begleitete Praxis, verlässliche Prüfungen.
Sonderprogramme der Bundesländer
Dazu zählen Prämien für Mangelfächer, Programme zur Rückgewinnung aus Teilzeit, zusätzliche Stellen für Brennpunktschulen oder der Ausbau von Studienplätzen. Wirkung zeigen solche Programme oft erst mittelfristig, weil Ausbildung Zeit braucht.
Organisatorische Lösungen vor Ort
- Team-Teaching und flexible Lerngruppen
- Stärkere Einbindung von Schulsozialarbeit und multiprofessionellen Teams
- Priorisierung: Kernfächer sichern, Projekte rotieren lassen
Auswirkungen auf Schulen, Schüler und Eltern
Für Familien ist der Lehrkräftemangel vor allem dann spürbar, wenn Verlässlichkeit fehlt. Typische Folgen im Alltag:
- Unterrichtsausfall oder häufige Vertretung – Lernfortschritte werden ungleichmäßiger.
- Weniger individuelle Förderung – Kinder mit Lernlücken oder besonderem Förderbedarf bekommen nicht immer genug Zeit.
- Mehr Druck zuhause – Eltern übernehmen häufiger Üben, Erklären und Strukturieren.
- Unruhe in der Klasse durch wechselnde Bezugspersonen.
Für Lehrkräfte bedeutet die Situation oft, dass sie zwischen pädagogischem Anspruch und Machbarkeit vermitteln müssen. Viele geben enorm viel, um Kinder dennoch gut zu begleiten. Gleichzeitig braucht es realistische Prioritäten, damit Qualität nicht an einzelnen Personen „hängen bleibt“.
Was kann ich als Elternteil tun, wenn ständig Unterricht ausfällt?
Bleiben Sie zuerst sachlich und sammeln Sie konkrete Informationen: Welche Stunden fallen wie oft aus, in welchen Fächern, und wie wird das aufgefangen? Bitten Sie die Klassenleitung um eine kurze Übersicht, welche Lerninhalte in den nächsten Wochen verbindlich geschafft werden sollen. Unterstützen Sie Ihr Kind dann mit kleinen, regelmäßigen Übezeiten (10–20 Minuten) statt mit langen Marathons. Wenn es strukturelle Probleme gibt, ist der Weg über Elternvertretung und Schulkonferenz sinnvoller als Einzelbeschwerden. Und: Achten Sie darauf, dass Ihr Kind trotz Lücken nicht den Mut verliert – Fortschritt sichtbar machen hilft, z. B. mit einer Lernliste zum Abhaken.





Alltag in Schulen: Lernen in Gruppen, Erklären, digitale Unterstützung, Gespräche mit Eltern und organisatorische Lösungen bei Ausfällen.
Rolle digitaler Lernangebote und ergänzender Bildungsplattformen
Digitale Lernangebote lösen den Lehrkräftemangel nicht. Sie können aber Lücken abfedern und Übezeiten sinnvoll strukturieren – vor allem dann, wenn Unterricht häufig ausfällt oder Kinder mehr Wiederholung brauchen.
In der Praxis helfen digitale Angebote besonders in drei Situationen:
- Selbstständiges Üben mit klaren Rückmeldungen (richtig/falsch, Hinweise, Erklärungen).
- Wiederholen von Grundlagen, wenn im Unterricht dafür wenig Zeit bleibt.
- Differenzierung: leichtere und schwierigere Aufgaben passend zum Lernstand.
Für Eltern ist wichtig, digitale Angebote als Ergänzung zu sehen – nicht als Ersatz für Beziehung, Motivation und pädagogische Begleitung. Sinnvoll ist ein einfacher Rhythmus: kurze Übeeinheiten, feste Zeiten, und eine regelmäßige Rückmeldung an die Lehrkraft, wo es hakt.
Ausblick: Wie könnte sich die Lage entwickeln?
In den nächsten Jahren wird der Druck vielerorts hoch bleiben. Dafür sprechen zwei Faktoren: viele Pensionierungen und ein Bedarf, der nicht von heute auf morgen durch neue Absolventinnen und Absolventen gedeckt werden kann. Gleichzeitig werden Maßnahmen wie zusätzliche Studienplätze, bessere Qualifizierungswege für Quereinsteiger und gezielte Programme an Wirkung gewinnen – aber eher schrittweise.
Realistisch ist daher ein Doppelziel: kurzfristig Unterricht stabilisieren und langfristig den Beruf attraktiver machen. Dazu gehören verlässliche Unterstützungssysteme (Mentoring, multiprofessionelle Teams), planbare Arbeitsbedingungen und eine Ausbildung, die gut auf heterogene Klassen vorbereitet.
Für Eltern gilt: Auch wenn die Rahmenbedingungen schwierig sind, können Schule und Familie viel erreichen, wenn Ziele klar sind, Kommunikation funktioniert und Kinder passende Lernroutinen entwickeln. Gerade in Zeiten von Personalengpässen ist Struktur das, was am meisten Sicherheit gibt.
